Experte erklärt: Warum Sonnenbrillen für Kinder viel wichtiger sind als für Erwachsene

Sonnenbrillen gehören für viele Menschen zum Sommer wie das Eis beim Italiener um die Ecke. Kindern werden die vor der UV-Strahlung schützenden Gläser dagegen oft nur für lustige Schnappschüsse aufgesetzt. Dabei sind die Augen der Jüngsten besonders sensibel.

Für Erwachsene sind Sonnenbrillen im Sommer (teils auch im Winter) längst ein unverzichtbares Mode-Accessoire, teilweise sogar so etwas wie ein Statussymbol. Viele Designer sind mit einer eigenen Linie für Sonnenbrillen auf dem Markt. Dabei sind die Nasenfahrräder mit den runden, getönten, eckigen oder verspiegelten Gläsern eigentlich im Auftrag Ihrer Gesundheit unterwegs. Die Beschichtung der Gläser soll verhindern, dass zu viel schädliche UVA-, UVB- und UVC-Strahlung auf die empfindliche Netzhaut des Auges trifft und diese auf Dauer schädigt. Im Grunde sind Sonnenbrillen also das Pendant zur Sonnencreme, mit der die Haut vor Sonnenbrand geschützt wird. Damit ist klar: Auch Kleinkinder sollten Sonnenbrillen tragen – und zwar früher als manch einer denkt.

Sonnenbrillen für Kinder: Die wichtigsten Antworten vom Experten

Im Interview mit dem stern erklärt Matthias Köste, Geschäftsführer des Kinderbrillen-Spezialisten pricon, warum Sonnenbrillen für Kinder viel mehr sind als nur ein modisches Accessoire, ab welchem Alter sie auf die Nase gehören und auf welche Details Eltern vor dem Kauf unbedingt achten sollten.

Herr Köste, warum sind Sonnenbrillen für Kinder wichtig?
Aus zwei Gründen. Zum einen muss man wissen, dass der Mensch innerhalb der ersten 18 Lebensjahre schon 75 Prozent seiner Sonnenzeit verbraucht. Oder anders gesagt: Kinder und Jugendliche verbringen in der Regel sehr viel Zeit draußen und sind in dieser vergleichsweise kurzen Zeit überproportional viel UV-Strahlung ausgesetzt. Heißt im Umkehrschluss auch: Bei Kindern sind Sonnenbrillen viel wichtiger als bei Erwachsenen. Dazu kommt, dass die Augenlinsen vor allem bei kleineren Kindern deutlich heller sind. Dunkler werden die Linsen erst nach und nach.

Was bedeutet das konkret für die Augen kleiner Kinder?
Das bedeutet schlicht und einfach, dass bei kleinen Kindern viel mehr UVA- und UVB-Strahlung aus dem Sonnenlicht auf die Netzhaut trifft und sie auch durchdringt. Sie sind deutlich stärker gefährdet. Und letztlich begünstigt das auch bekannte Augenkrankheiten wie Grauer Star oder andere.

Sollten Eltern die Augen ihrer Kinder also schon im Säuglingsalter mit einer Sonnenbrille schützen?
Nein. In diesem Alter liegen die Kleinen im Normalfall ja nicht für längere Zeit in der Sonne, sondern im Kinderwagen oder der Karre, wo sie dann noch mit einem Schirmchen geschützt sind. Ansonsten haben sie Mützen mit kleinen Schirmchen. Die Eltern sorgen also dafür, dass die Augen der Kinder nicht permanent der UV-Strahlung ausgesetzt sind. Sobald die Kinder laufen können, wird es schwerer, sie im Schatten zu halten. Von da an ist es aus meiner Sicht sinnvoll, eine Sonnenbrille zu tragen.

Vermutlich sollte man da nicht zum erstbesten Modell greifen. Worauf gilt es besonders zu achten?
Zunächst müssen die Brillen natürlich 100 Prozent vor UVA- und UVB-Strahlung schützen, also entsprechende Filter auf den Sonnenschutzgläsern haben. Ähnlich wichtig ist das Material des Gestells. Das sollte robust und flexibel sein und möglichst alles mitmachen, damit es nicht beim ersten Ausflug kaputt geht. Außerdem sollten Eltern darauf achten, dass die Fassungen speziell für Kinder entwickelt wurden. Modelle für Erwachsene, die einfach auf eine Kindergröße klein skaliert werden, funktionieren in der Regel nicht. Das liegt hauptsächlich daran, dass der kindliche Nasenrücken anfangs noch nicht richtig ausgebildet ist. Die gesamte Physiognomie muss sich erstmal entwickeln. Deshalb müssen Sonnenbrillen speziell für diese Gesichtsgrößen entworfen werden. Da geht es dann um Parameter wie die Nasenauflagen, die Nasenstegbreite und darum, ob der Durchblickpunkt wirklich auf Höhe der Pupille liegt.

Nun ist die Auswahl an Sonnenbrillen für Kinder groß. Vom No-Name-Produkt bis zum Designer-Modell ist alles erhältlich. Worauf sollte man vor dem Kauf besonderes Augenmerk legen, um sicherzugehen, dass die Brille den wichtigsten Anforderungen genügt?
Zunächst sollte man wissen, dass eine Sonnenbrille zur PSA (Persönliche Schutzausrüstung, Anm. d. Redaktion) gehört. Das bedeutet, dass am Gestell, auf der Verpackung oder dem Beipackzettel mindestens eine CE-Kennzeichnung und entsprechende Angaben zu ISO-Normen stehen müssen. Sobald die Sonnenbrillen verglasbar sind, mit Stärken zur Korrektur von Fehlsichtigkeiten, werden sie zum Medizinprodukt der Klasse 1B. Hier werden dann die CE-Kennzeichnungen aus dem Medizinproduktegesetz relevant. Grundsätzlich kann man sich meiner Erfahrung nach auf die Angaben zu UVA- und UVB-Schutz verlassen. Insbesondere, wenn die Sonnenbrillen im Fachhandel gekauft werden.

Welche Rolle spielen die Farben und Tönungen der Gläser?
Die Tönung sollte bei Sonnenbrillen für Kinder irgendwo zwischen 70 und 80 Prozent liegen.

Wie gefährlich sind Kratzer auf den Gläsern, die bei Kindern ja zwangsläufig und recht schnell entstehen?
Dort wo der Kratzer ist, kann UVA- oder UVB-Strahlung durchkommen, weil an der Stelle die Beschichtung zerstört ist. Im Grunde muss die Brille an dieser Stelle schon ausgetauscht werden.

Was bedeutet der Hinweis, dass eine Sonnenbrille rückseitig entspiegelt ist?
Hier geht es um das Streulicht, das von hinten in die Brille einfällt und damit den eigentlichen Schutz umgeht. Manche Brillen werden also rückseitig entspiegelt, um zu verhindern, dass diese UV-Strahlen direkt auf die Augen gespiegelt werden.

Sonnenbrillen für Kinder: Das Wichtigste in Kürze

  1. Kinderaugen müssen Schutzmechanismen erst entwickeln. Deshalb ist die UV-Strahlung in den ersten Lebensjahren sehr gefährlich.
  2. Sobald Kinder laufen können, ist eine Sonnenbrille sinnvoll.
  3. Sonnenbrillen für Kinder sollten robust und flexibel sein.
  4. Angaben zu UV-Schutz, CE- und ISO-Kennzeichnungen müssen auf dem Gestell, der Verpackung oder dem Beipackzettel stehen.
  5. Ein größerer Kratzer beeinträchtigt den UV-Schutz. Die Brille sollte möglichst ausgetauscht werden.
  6. Sonnenbrillen mit Stärke fallen in den Bereich Medizinprodukt Klasse 1B.

Quellen:
Jan Sägert/stern.de (Text: https://www.stern.de/familie/sonnenbrillen-fuer-kinder–sommertrends-und-praktische-tipps-30656602.html)
(Foto: https://shop.optik.one/kindersonnenbrillen)